Galerie Böhner

Laudatio

27. Februar 2004

Sehr geehrte Damen und Herren, zuallererst freue ich mich heute abend hier sein zu dürfen. Es ist schon fast eine Tradition, daß ich mir zu Beginn einer Einführungsrede Gedanken darüber mache, was die einzelnen Künstler miteinander verbindet. Bei dieser Ausstellung sind es immerhin acht Künstler, die ausgestellt sind.

In der Regel scheitere ich immer kläglich. Ein Anhaltspunkt heute abend ist, dass acht Künstler 1968 geboren wurde. Ein durchaus sehr künstlerischer Jahrgang.

Als Vorgabe für meine Rede habe ich 20 Minuten. 20 Minuten in den ich sieben Künstler und eine Künstlerin vorstellen möchte. Rein rechnerisch stehen mir demnach rund 2 1/2 Minuten pro Künstler zur Verfügung. Ich muß also schnell sein.

Aus Zeitgründen beschränke ich mich heute abend auf ein Werk pro Künstler, welches exemplarisch von mit näher betrachtet wird.

Beginnen möchte ich mit der einzigen Dame in der Herrenriege, mit Charlotte Pfefferle. Ich beziehe mich auf zwei Werke, die sich genau um die Ecke befinden. Die Titel der beiden Werke lauten "flüchtig I" und "flüchtig V" und sind, wie unschwer den Titel zu entnehmen ist, Teil einer Werkgruppe. Mit 30 x 40 cm ist das Format eher klein. Die Technik Tempera, Wachslasur auf Karton unterstützt den Charakter der Bildmotive. Doch was ist dargestellt? Wir sehen Menschen ohne individuelle Gesichtszüge, mehr Schattengestalten denn wirkliche Menschen. Die Farbpalette ist stark reduziert und die Nichtfarben Schwarz, Weiß und Grau unterstützen den Charakter von Verlassenheit. Lediglich bei "flüchtig I" gestaltet sich die Farbpalette etwas freundlicher. Dieser Eindruck wird jedoch durch ein vergittertes Fenster, das sich fast in der Bildmitte befindet, aufgehoben. Die matte Bildoberfläche , die der Wachsmalkunst eigen ist, nimmt dem Motiv jegliches Lebendige und unterstützt die Flucht der Menschengruppe auf augenfällige Weise.

Im Gegensatz zu den Arbeiten von Charlotte Pfefferle weisen Kave Atefies Gemälde eine sehr starke, farbige Farbpalette auf. Bezeichnenderweise tauchen sie, also ich meine die Farben, auch in seinen Werktiteln auf. Bei "the significance of nothing in four colors (killin an arab)" ist das Bildmotiv ein Mann, der in vier Bilder unterteilt ist. Er steht zwar im Zentrum des Werkes, doch ist seine rechte Schulter nach unten links gerutscht. Seine rechte Hand, mit einem auffallenden Ring versehen, ist dadurch ebenfalls zweigeteilt, ja fast auseinandergerissen. Als interessantes Motiv findet sich als Spiegelung auf den Gläsern der Sonnenbrille eine Person, die gerade die Zunge herausstreckt und den Betrachter aufmüpfig, gar frech entgegenschaut. Wer ist das? Es scheint fast so, daß wir über den dargestellten Mann nichts erfahren. Er wirkt mehr wie ein stereotyper Araber mit entsprechender Kleidung und Kopfbedeckung. Doch bei dem Mann, den wir in den Brillengläsern entdecken ist dem nicht so. Durch die freche Geste des Zungeherausstreckens erleben wir ihn in einem sehr lebendigen Augenblick. Für den Betrachter vermittelt sich dadurch ein Momentporträt.

Mit dem Werk "Symphonie" von Bernardo Esposto aus 2001 verlassen wir das Motiv den Menschen und konzentrieren unseren Blick auf eine Landschaft. Doch handelt es sich hier nicht um eine klassische Landschaftsmalerei. Aus dem Boden wachsen Flöten und in der Luft schweben, von Ballons gehoben, Schneckenhäuser, die ebenfalls Anlehnungen an Musikinstrumente haben. Fast fühlt man sich dazu aufgefordert einer Melodie zu lauschen. Doch wie könnte die Melodie klingen? Wahrscheinlich sind es Spährenklänge, die uns entgegentönen. Seine surrealistischen Bildmotive finden sich auch in anderen Werken von Bernardo Esposto, des öfteren mit mythologischen Figuren (Amor, Psyche) oder Lichtgestalten (Engeln) kombiniert.

Ein Lieblingsmotiv von Detlev Bäuerlein sind Frauen - doch nicht irgendwelche Frauen. Sein Augenmerk gilt den großen Diven der Geschichte. (Also nicht Celine Dion oder so.) Bei dem Werk "Marylin" beruft er sich auf die berühmten, ja schon zu Ikonen gewordenen Fotografien von Bert Stern. Der Fotograf hatte diese Aufnahmen kurz vor dem tragischen Tod der Schauspielerin aufgenommen. Die Originalaufnahmen zeigen eine zerbrechliche, fast schon tragische Marylin Monroe. Detlev Bäuerlin betont diesen Seelenzustand durch Pinselduktus und Farbgebung.

Im Gegensatz zu den Berühmtheiten bei Detlev Bäuerlein, ist das Gesicht, welches wir auf dem gleichnamigen Werk von Daniel Bosch also "Face - Das Gesicht" sehen, uns unbekannt. Den Charakter des Bildes bestimmt die Technik, es handelt sich hierbei um eine Kreidezeichnung, die in schwarz/weiß gehalten ist. Eine Lichtquelle beleuchtet das Gesicht eines Mannes, welches uns im Halbprofil anzuschauen scheint. Bewußt verwende ich hier das Wort scheinen, da das Auge sehr unbestimmt gehalten ist. Fragend, zweifelnd ist eine Augenbraue erhoben. Das andere Auge verschwindet, geht dadurch, daß es sich im Schatten befindet, in den Hintergrund über. Bei längerer Betrachtung bekommen die menschlichen Züge einen teuflischen Zug. Unterstützt wird dieser Eindruck noch durch ein "Horn" an einer Stirnseite.

Wenn man den Namen Hansueli Urwyler in der allesfindenden Suchmaschine Google eingibt so landet man auf Seiten, die betonen, daß es sich bei diesem Künstler um einen Bergmaler handelt. Doch möchte ich nicht ein solches Werk näher betrachten, vielmehr fiel meine Wahl auf die Werkgruppe "Friedensbitte". Eine Etage tiefer, finden sich vier dieser Werke und auch auf der Einladungskarte ist eine Arbeit reproduziert. Würde ich fragen, welche Farbe sie mit dem Frieden verbinden, so wette ich, daß die wenigsten von ihnen die Farbe Rot nennen würden. Sehr häufig würde die Antwort Blau lauten, vielleicht auch Gelb doch ganz selten wenn nicht gar nie Rot. Doch ist es genau diese Farbe, die bildbestimmend und bildfüllend ist. Lediglich ein paar dunklere Abstufungen geben den Bildern einen Akzent. Bei einem Werk, vermag ich eine Frau zu erkennen, die ihre Arme in einem Bittgestus erhoben hat - um Frieden bittend in einem Meer von Blut. Der einfache graue Rahmen unterstützt die Farbe in ihrer Wirkung.

Mit einer ähnlich reduzierten Farbpalette verwendet auch Michael Schaffer in seinem Aquarell "Abweg", welches ebenfalls auf der Einladungskarte zu finden ist. Grau, Schwarz und Blau bestimmen den Charakter des Werkes und zuerst erscheint das Bildmotiv als eine geschlossene Form. Bei längerer Betrachtung jedoch findet sich eine kniende Gestalt. Sie hält ihren Kopf leicht gebeugt nach unten. Interessant hierbei ist auch, dass "Abweg" zweigeteilt ist. Zwei Blätter, die zu einem Ganzen zusammengefügt sind. Doch anders als bei dem schon besprochenen Werk von Kave Atefie, bilden die Blätter eine geschlossene Einheit. Folgt man den Gelenken und Gliedmaßen der Figur findet man sich in einem Labyrinth wieder, welches - ganz im Gegensatz zu den anderen ausgestellten Werken von Michael Schaffer - über den Bildrand hinausweist.

Um den Kreis meiner Rede zu schließen - sie erinnern sich, ich begann mit den Flüchtenden von Charlotte Pfefferle - möchte ich mit einem Werk von Herbert Rausch abschließen (der auch unter dem Künstlername Syre bekannt ist). Bei "Abschied" stehen sich jeweils zwei Personen bzw. Gestalten gegenüber. Auch hier handelt es sich um Gestalten, da keine individuellen Gesichtszüge festzustellen sind. Unweigerlich fragt sich der Betrachter nach dem Bezug der zwei Zweiergruppen. Da die Personen unterschiedlich groß sind, weisen sie trotz ihrer schematischen Darstellung gewisse Charakter- und Geschlechtereigenschaften auf. Verabschieden sich hier Großeltern von Kind und Enkel? Das Bild steht als eine Metapher für den Abschied und ist als solches geradezu prädestiniert dafür am Schluß meiner Gedanken zu stehen.

Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit! Danke!

Carmen Beckenbach