Rede von Dr. Claus-Peter Böhner anlässlich der Eröffnung der “6.impulse international Osnabrück“ vom 14. – 15.02.2004

KUNST, MARKETING UND AUSSTELLUNGSWESEN

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Künstlerinnen und Künstler, liebe Frau Moschitz-Finger, ich freue mich, hier anlässlich der Kunstmesse „impulse international Osnabrück“ zu Ihnen sprechen zu dürfen, wofür ich mich zunächst bei der Messeleiterin Frau Moschitz-Finger herzlich bedanken möchte. Ein Grund mehr übrigens mal wieder nach Osnabrück zu kommen, verbinde ich doch mit dieser Stadt einen Teil meiner Studienzeit als auch ein bewegtes Engagement in und für die „Literarische Gruppe Osnabrück e.V.“, in der ich bis vor ca. 15 Jahren aktiv mitgearbeitet habe.

 Meine Damen und Herren, einem Teil der Künstlerinnen und Künstler werde ich sicher bekannt sein, denn die Welt der Kunst ist schließlich klein, doch für alle anderen zunächst zu meiner Person: Mein Name ist Claus-Peter Böhner, und ich betreibe in Mannheim zwei Galerien, in denen im Wechsel zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler mit dem Schwerpunkt Malerei und Plastik aus dem In- und Ausland präsentiert werden. Darüber hinaus nimmt die Galerie regelmäßig an internationalen Kunstmessen teil. Das Thema, über das ich hier einige Worte verlieren möchte lautet: „Kunst, Marketing und Ausstellungswesen“, wobei diese drei Begriffe nicht jeder für sich gesehen und behandelt werden dürfen, sondern in Gänze einen Zusammenhang bilden.

Meine Damen und Herren, die Kunst der Gegenwart hat sich im Ganzen nicht wesentlich verändert. Sie ist wie alles andere Teil der Gesellschaft und damit zugleich dem Zeitgeist unterworfen. Die Veränderung beschränkt sich – wenn überhaupt – auf Äußerlichkeiten (Formen, Farben, Sujets) und Medien (z.b. Videokunst). Der oft gehegte und im eigentlichen Sinne auch heere Anspruch von Künstler und Ausstellungsmacher etwas gänzlich Neues zu zeigen, muss spätestens seit der Moderne ins Leere laufen: Das Resultat der weißen und durchlöcherten Leinwand lässt sich schließlich nicht mehr steigern. Somit bleibt dem ambitionierten Künstler nichts anderes als der Anschluss an die Tradition unter Hinzugabe der einen oder anderen Inspiration, wodurch es am Ende vielleicht sogar zu einer wirklichen Innovation gereicht, die uns neugierige Betrachter zu neuen Sichtweisen bzw. Einsichten oder auch Ansichten herausfordert. Und das ist nicht wenig. Anders ausgedrückt: An dieser Stelle sind wir schon beim Kernproblem des heutigen Kunstmarktes angelangt – und ich möchte besonders betonen KUNST – MARKTES. In unserer heutigen schnelllebigen und durchrationalisierten Zeit ist alles Markt. Es herrscht das Gesetz von Angebot (Überangebot) und Nachfrage. Der Markt verlangt immer lauter nach Neuem und Neuerem, die Umschlagsgeschwindigkeit ist von zentraler Bedeutung, um der Reizüberflutung, die uns alle betrifft, Rechnung zu tragen. Im Prinzip kann auf dem Kunstmarkt heute niemand mehr etwas sensationell Neues bieten, so dass der einzelne Künstler es sehr schwer hat, sich das notwendige Gehör zu verschaffen. Deshalb sind Künstlermessen wie die „impulse international Osnabrück“ als Mittler zwischen Künstler und Publikum von besonderer Bedeutung. Hier kann sich der Künstler einem interessierten Publikum direkt vorstellen. Er bekommt an Ort und Stelle die direkten Reaktionen mit, ob sie ihm nun gefallen oder nicht. Ich sprach eben vom KUNST-MARKT, von Angebot und Nachfrage und möchte diesbezüglich betonen, dass die Zeiten für Kunst noch nie einfach waren, insbesondere dann nicht, wenn Galerien es mit wenig bekannten Künstlern zu tun haben. Über eines müssen sich Künstler und Ausstellungsmacher im klaren sein: Kunst braucht es nicht zum täglichen Überleben wie Wasser und Brot. Kunst ist für viele immer noch ein Luxusgut und wird es auch bleiben. Wir haben es hier mit einer gesellschaftlichen Wertigkeit zu tun. Bei uns werden eher mal ein paar Euro mehr für die Lederpolsterung einer Karosse locker gemacht als in das Werk eines guten aber noch relativ unbekannten Künstlers investiert. Sicher gibt es auch immer wieder Ausnahmen, aber es bleiben halt Ausnahmen, und diejenigen, die mit Kunst wirklich richtig Geld verdienen, die spielen sprichwörtlich in einer anderen Liga, die haben es mit international bekannten Künstlern zu tun, die in Köln oder Basel präsent sind und wo es gleich um Zehntausende von Euros geht. Diese Liga lässt sich mit dem Begriff ‚Kunsthandel’ umschreiben, was etwas gänzlich anderes ist als ein Galeriebetrieb, der in wechselnden Ausstellungen junge oder auch junggebliebene Künstlerinnen und Künstler präsentiert, was schwierig ist, schwierig bleiben wird, aber dennoch notwendig. Wir haben es hier auch mit kulturellen Defiziten zu tun, die wahrscheinlich, so ist es jedenfalls meine Befürchtung, noch zunehmen werden: Junge Menschen müssen an Kunst herangeführt werden; wenn dieses – aus welchen Gründen auch immer sei dahin gestellt, Schule und Elternhaus nicht mehr in der Lage zu vermitteln sind, wie sollen dann kunstbegeisterte Menschen heranwachsen. Wenn alles nur marktkonsequent dem Gesetz des schnöden Mamon unterworfen wird, dann wird es die originäre zeitgenössische Kunst im „Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit“ – um einen Begriff des bedeutenden Kulturphilosophen Walter Benjamins zu gebrauchen, immer schwieriger haben. Dennoch bin ich Optimist. Denn je rauer und kälter die Zeiten werden, desto mehr sehnen sich die Menschen auch nach Nischen und Oasen, in denen sie rasten, in sich ruhen und auftanken können. Und sind nicht Galerien auch solche Oasen der Ruhe unter Gleichgesinnten?

Heutzutage können Galerien für Künstler immer nur punktuelle Plattform sein, im Idealfall gewissermaßen Sprungbrett für die weitere künstlerische Karriere, denn wie ehedem ausgeführt, haben es Galerien fast immer mit unbekannteren Künstlerinnen und Künstlern zu tun; und diese können zwangsläufig nur durch wechselnde Ausstellungen an wechselnden Orten bekannt werden. Auch der Künstler hat in der heutigen schnelllebigen Zeit für sein Vorankommen viel zu tun. Er muss auf sich aufmerksam machen können, er muss sich verkaufen können – durch sein Werk aber nicht weniger durch seine Persönlichkeit, denn der Kauf eines Werkes kann durch die Ausstrahlung der Künstlerpersönlichkeit beeinflusst werden. Über den Erfolg eines Künstlers entscheidet nicht unwesentlich die Ausstellungsbiografie. Grundsätzlich sollte der Künstler alle Chancen nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen. Egal, ob es sich um das sog. Offene Atelier handelt, um Gastronomiebetriebe, städtische Einrichtungen und dergleichen mehr; wichtig ist stets darauf zu achten, ob diese Institutionen ein gewisses Maß an Ausstellungskontinuität und Professionaliät (Einladungskarten, Presse etc.) an den Tag legen, also ihre Arbeit auch mit Liebe und Engagement verrichten. Von Zeit zu Zeit gehört aber auch eine Ausstellung in einer Galerie und/oder die Teilnahme an einer internationalen Kunstmesse mit aufs Programm, um als Künstler ernst genommen zu werden, denn diese formalen Referenzen entscheiden bei Kulturinstitutionen nicht selten über den Zuschlag oder Nichtzuschlag einer Ausstellung. Denn es gilt zu bedenken, dass entsprechende Entscheidungsträger nicht immer über den notwendigen Sachverstand verfügen (müssen), so dass diese sich im Zweifelsfalle immer über derartige Referenzen bzw. Profilierungen absichern. Desweiteren bekommt man als Künstler auf internationalen Kunstmessen immer sehr gut mit, wo man eigentlich künstlerisch steht, kann gut Kontakte knüpfen, wenn man denn kontaktfähig ist und sich in der Kunstszene gut über dieses und jenes austauschen z.B. das Für und Wider von Ausstellungsmöglichkeiten, denn wo sonst trifft man auf so geballte Kunst- und Künstlererfahrung als auf einer internationalen Messe. Als Galerist habe ich gelernt, dass es wichtig ist, mit Künstlern und Kunstwerken dort präsent zu sein, wo sich Alltag und Leben abspielt, deshalb ist mein Leitspruch auch: „Das Oasendasein von Galerien muss ein Ende haben, die Kunst muss dorthin gehen, wo sich das Leben abspielt.“ Was nützt einem ein optimaler musealer Ausstellungsraum, den die Menschen aus Scheu und Schwellenangst  nicht betreten wollen. Daraus habe ich die Konsequenz gezogen und meine Galerien in sog. Businesscentern verlegt, wo sich tagein tagaus Kunst und Leben begegnen, wo die Menschen zwangsläufig mit Kultur konfrontiert werden und so auch die Schwellenangst davor verlieren; des weiteren habe ich über die Jahre gelernt, dass die Kunst für die Menschen da ist und nicht umgekehrt, und dass sich die Kunst zu den Menschen bewegen muss und nicht zwangsläufig die Menschen zur Kunst. Manager von großen Unternehmen finden sich eben nicht in ihrer knapp bemessenen Freizeit am Wochenende auf irgendwelchen Vernissagen ein, nein, da wollen diese i.d.R. ihre Ruhe haben, aber wenn sich die Kunst zu ihnen bewegt, sind sie durchaus aufgeschlossen und sorgen nicht selten dafür, dass Geschäftsfreunde sich auf derartigen Events auch noch einfinden. Also vereinfacht gesagt: Wenn die Menschen nicht zur Kunst finden, dann muss die Kunst sich halt auf den Weg zu den Menschen machen. Von zentraler Bedeutung ist darüber hinaus, dass sich sowohl Künstler als auch Galeristen ihrer Grenzen bewusst sind. Jeder sollte sich an seinem Platz um Professionalität bemühen ohne gleich zu meinen Picasso oder Castello zu sein. Nur wenn man im Rahmen seiner Möglichkeiten den für richtig befundenen Weg auch konsequent voranschreitet ohne ständig nach links oder rechts zu schauen, man malt, weil man malen muss, dann wird man mit ein wenig Glück – was immer im Leben mit dazu gehört – auch Erfolg haben. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.