10.10.2015 – 15.01.2016
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
im dritten und letzten Teil der diesjährigen Jubiläumsausstellung aus Anlass des 20jährigen Bestehens der Galerie Böhner sehen wir eine Auswahl von Arbeiten der Künstlerinnen und Künstler, die, wie die in den beiden vorherigen Teilausstellungen, das Programm der Galerie geprägt haben und auch weiterhin prägen werden. Ob hier am alten Standort, wo vor 20 Jahren die Erfolgsgeschichte der Galerie Böhner begann, ein Standort, der vor gut zwei Jahren wieder neu belebt wurde, auf Messen oder in den Galerieräumen bei Bechtle und im Signal-Iduna-Business-Tower am Bahnhof, stets dominierte die Vielfalt. In dieser Hinsicht unterscheidet sich das Konzept der Galerie Böhner deutlich von anderen Galerien und Kunsthandlungen. Hier dominieren die Künstler.
Wie Sie aus dem Jubiläumskatalog erfahren können, der zu Beginn des Jahres erschien, wird hier die Konzeption einer Produzentengalerie verfolgt. Der Galerist und Ausstellungsmacher versteht sich hierbei als Dienstleister, der im Sinne seiner Künstler PR-Arbeit betreibt. Und dies nicht nur in der Galerie. Besonders innovativ ist das Konzept, das an den beiden anderen Orten verfolgt wird, die Böhner bespielt. Hier wurden nämlich Kooperationskonzepte entwickelt, In-House Galerien, wenn man so will, wobei das jeweilige Unternehmen den beiden Galeristen Böhner-Fery und Maier freie Hand bei der Kunstauswahl lässt und auch die Galerie innerhalb des Hauses als eigenständige Firma akzeptiert.
Auch die Künstler haben einen Gewinn von solchen Kooperationen, wie sonst wäre es möglich, dass sich im Laufe der Jahre ein fester Künstlerstamm herausgebildet hat, der der Galerie bis heute die Treue hält. Die Arbeiten einer dieser Künstlerinnen, die im Mittelpunkt vieler Ausstellungen an den unterschiedlichen Orten stand, sehen Sie hier im Eingangsbereich. Elke Lehmann, die in diesem Jahr leider allzu früh verstorben ist. Wir haben hier einige ihrer Werke, die uns an sie und an ihr fotografisches Schaffen erinnern.
Elke Lehmann entwickelte besondere Varianten der künstlerischen Fotografie. Sie konstruierte kuriose Lichtsituationen, in deren atmosphärischer Dichte sich das Motiv auflöst. Auf diese Weise lässt sie die Aura weit über das Bildformat auszustrahlen.
Elke Lehmann arbeitete ausschließlich mit analoger Fotografie, weil, wie sie sagte, die digitale dem Fotografe keine Möglichkeit ließe, die Art und Weise der Aufnahmen zu bestimmen. Die Perfektion der Technik kennt hier nur die Dimension der vollständig korrekten Motiverfassung. Im Gegensatz dazu bietet die analoge Technik größere künstlerische Freiheit.
Dass bei den Ausstellungen der Galerie Böhner in den vergangenen Jahren immer mehr Künstler dazukamen, die mit der Kamera arbeiten, hat seinen Grund in dem Bedeutungswandel der Fotografie überhaupt, der seit den 90er Jahren zu beobachten ist. Immer mehr Fotografien erscheinen auf Kunstmessen, immer mehr Fotografen stellen Verbindungen zwischen Fotografie und Kunst her und schaffen so beeindruckende Werke.
So hier in der Ausstellung Gerold Maier, der eigentlich von der Malerei kommt und mit Dr. Claus-Peter Böhner-Fery zusammen die Galerie zunächst in Heidelberg als Produzentengalerie gegründet hat. Maier arbeitet ebenfalls mit der analogen Technik, freilich mit einer ganz besonderen Kamera, der Polaroid, einem Verkaufsschlager der 70er Jahre, weil dabei die Bilder sofort entwickelt werden konnten. Allerdings reduziert der Film, den Maier hier verwendet, die Farben und hebt die Grauwerte deutlich hervor. Dadurch erhalten diese Arbeiten eine geradezu graphische Anmutung.
Interessant ist der Gegensatz, den Gerold Maier hier bei seiner Werkauswahl aufbaut. Es sind einerseits Naturbilder, andererseits Industrieanlangen. Besonders bei diesen Industriefotografien lassen sich durch die Reduzierung der Farbintensität graphische Wirkungen erzeugen, bei denen man zunächst einmal gar nicht an Fotografien denkt. Es könnten auch Lithographien sein oder sogar Radierungen.
Reduktion ist auch ein Stichwort, das zu den „Flusslandschaften“ von Annemarie Rudolph hervorragend passt, denn wer ihre Bilder aus den früheren Ausstellungen kennt, wird überrascht sein, hier diese reduzierten Aquarelle zu sehen, bei denen nicht mit Naturmaterialien gearbeitet wurde, wie es für die Bilder der letzten Jahre typisch ist. Es ist hier eine Werkreihe entstanden, die vom Fernen Osten inspiriert zu sein scheint. Wie lockere Pinselschwünge, die sich zu gewagten Konstruktionen zusammenfügen, erscheinen dabei die Zeichnungen, die der Phantasie des Betrachters keine Grenzen setzen.
Herrscht bei Annemarie Rudolph der leere Raum, in die plastisch wirkenden Strukturen eingebettet werden, so scheint im Gegensatz hierzu bei den Gemälden von Andrea Flätgen der horror vacuii dominierend. Sie bezeichnet ihre Werke mit dem Titel „Lebensspuren“, wahrscheinlich nicht zuletzt deswegen, weil es die Dinge aus dem realen Leben sind, die Andrea Flätgen zum Malen anspornen. Auch formal nimmt sie Spuren auf, so die Rosttöne, die tatsächlich Oxidationsschichten sind. Geheimnisvoll verwebt sie solche vorbehandelten Partien mit der Leinwand und verwischt die Grenzen durch Übermalung, sodass Flecken entstehen, in denen man unterschiedliche Figuren erkennen kann. In ihren früheren Arbeiten hat sie durch die Betonung der Umrisslinien den Charakter dieser Figuren stärker hervorgehoben. Heute hält sie die Form bewusst offen.
Vom Kolorit her ansprechend wirken die lichtdurchfluteten Farbflächen von Antoinette Lüchinger. Ausgangspunkt ist unverkennbar die konkrete Landschaft, aber deren detailreiche Schilderung liegt offenbar nicht in der Absicht, vielmehr geht es um die Atmosphäre, die über dieser Landschaft liegt. Die Farbe ist hier das bestimmende Element, Lichtspuren, die in den Raum geschrieben sind.
Dana Pandici bewegt sich formal gesehen auf einer ähnlichen Linie, wobei hier der Duktus, im Gegensatz zu den beiden vorgenannten Künstlerinnen eher abstrakt expressionistisch erscheint. Dana Pandici arbeitet mit komplex strukturierten Hintergründen, bei denen der temperamentvolle Duktus aufwühlend wirkt. Doch anderes als ihre vorgenannte Kollegin führt sie diese Farbstimmung ins Figurative über, indem sich aus dieser Farbstimmung heraus eine konkrete Figur entwickelt, die in ihren Bewegungen die Impulse aufnimmt, die von den Hintergrundfarben ausgehen. Die Skizzierung wird hierbei zum probaten Mittel, alles im Fluss zu halten und Bewegung zu suggerieren.
Skizzenhaft und in der Gestaltung offen wirken die Aquarelle von Heinz-Peter Kohler aus der Schweiz, der auch schon sehr lange der Galerie die Treue hält. In seinen Werken wird vor allem der Prozess der Bildfindung sichtbar, denn selten entsteht eine Arbeit von ihm in einem Wurf. Es wird übermalt und abgewischt. Künstlerisches Agieren, das Spuren hinterlässt, die gelesen werden können. Kohler gehört in den Kreis der akademischen Künstler. Er hat zwischen 1955 und 1960 an der Kunstakademie München studiert und für sein Schaffen zahlreiche Preise erhalten.
Ana Orpel, die nicht zufällig den gleichen Namen wie der Laudator trägt, kommt eher von der praktischen Seite des Zeichnens her, denn sie hat in diesem Bereich eine technische Ausbildung absolviert. Grundlagen, die ihr eine gewisse Sicherheit geben. Frei gemalt und gezeichnet hat sie schon seit ihrer Kindheit und parallel zum Beruf Atelierkurse bei namhaften Künstlern in der Region besucht. In den letzten Jahren ist ihr Schaffen mehr durch eine Offenheit, dem Experiment gegenüber bestimmt. Und so lotet sie sensibel die Möglichkeiten aus, die ihr verschiedene Materialien bieten. Zufall und bewusste Steuerung spielen hier Hand in Hand.
Hierzu bilden die monumental wirkenden Werke von Antoine Pisano einen Gegensatz, denn hier herrscht die Planung vor, die genaue Gruppierung der unterschiedlichen Bilddetails, teils Zitate aus der Kunstgeschichte, teils stilistische Anlehnungen, die zurückführen in die Welt der Salons des Fin de Siegle mit ihren großbürgerlichen Attitüden. Dies alles scheint gewürzt mit einem hintersinnigen Humor, wie er oftmals hinter solchen Übertreibungen steht.
Eher von der konkreten Kunst scheint mir Ruth Stirnimann geprägt, besonders bei den Arbeiten, die hier draußen im Fenster sehen zu sehen sind, denn hier geht es offenbar um die rätselhafte Wirkung der Farbe im Raum, der Duktus, der Wechsel von Hell zu Dunkel, der bewirkt, dass die Fläche als Kugel erscheint. Die Bilder sind hierbei nicht als eigener, in sich geschlossener Kosmos zu betrachten, sondern als architektonische Gebilde, die mit dem Umfeld korrespondieren.
Jolien Wesseling ist die einzige Bildhauerin unter den hier ausstellenden Künstlern. Der klassische Charakter ihrer Formensprache ist nicht zu verkennen, allerdings würzt sie das Ganze mit hintersinnigem Humor, deformiert die allzu klassischen Proportionen und bringt den akademischen Kontrapost ins Wanken.
Text: Dr. Helmut Orpel
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