11.02. – 07.04.2023
Meine sehr geehrten Damen & Herren,
Jana Dettmer, die uns heute hier in der Galerie Böhner in Mannheims‘ Schwetzinger Vorstadt in einer Einzelausstellung ihre Werke zeigt, lebt und arbeitet in Köln und in Südfrankreich. Sie stellt seit 2016 öffentlich aus. Im selben Jahr gründete sie die Kunstplattform KunstStücke ArtProjects mit eigenen Räumen in der Stammheimer Straße in Köln. Ihre künstlerische Ausbildung begann sie an der Freien Kunstschule in Köln (2013-2015). Außerdem nahm sie Unterricht bei akademisch ausgebildeten Künstlern wie zum Beispiel Michael Jansen, Heinz Zolper und Christos Karas.
Nicht unwesentlich für Jana Dettmers Entwicklung dürfte dabei das intensive Studium der Werke der großen Maler der Klassischen Moderne gewesen sein. Mark Rothko, Karl-Otto Götz und Gerhard Richter sind hier an erster Stelle zu nennen. Spuren dieser Auseinandersetzung sind bei dieser kleinen Auswahl aus ihrem Oeuvre gut erkennbar.
Wie Sie hier in der Ausstellung der Galerie Böhner erleben können, steht das Schaffen der Künstlerin zwischen der gestisch-informellen und der monochromen Farbfeldmalerei. Beide Richtungen werden auch als abstrakt bezeichnet, da sie sich nicht auf symbolische oder erzählerische Inhalte beziehen. Manchmal werden diese Richtungen aus dem letztgenannten Grund auch „gegenstandslos“ genannt, was aber falsch ist, denn gegenstandslos sind sie trotz der fehlenden Erzählung keineswegs.
Sie machen vielmehr ihre eigenen Entstehungsvoraussetzungen zum Gegenstand, das heißt, die Inhalte kommen nicht von außen, sondern aus dem Format, der Fläche, dem Duktus und auf jedem Fall der Farbe. Wie bei der Musik ist das Thema nur abstrakt gefasst. Die Bildtitel, die Sie bei den Arbeiten von Jana Dettmer lesen können, geben nur eine vage Idee, die der Betrachter dann mit seiner eigenen Vorstellung füllt.
Vorläufer dieser Kunstrichtungen, die es schon seit über hundert Jahren gibt, ist beispielsweise Kasimir Malewitschs berühmtes Gemälde „Schwarzes Quadrat auf weißem Grund“, mit dem der russische Künstler Kunstgeschichte geschrieben hat.
Gegen diese Art von Kunst wurde schon frühzeitig Einspruch erhoben. So schriebt der spanische Philosoph José Ortega y Gasset von der „Austreibung des Menschen aus der Kunst“.
Diese Art der Kunst sei nur eine Kunst für Künstler und sage dem Publikum nichts. Aber er täuschte sich. Die abstrakte Kunst machte Karriere. Besonders nach dem zweiten Weltkrieg, als die Menschen in Europa von allzu viel Figuration die Nase voll hatten, besann man sich auf die unterschiedlichen Formen der Abstraktion und entdeckte plötzlich, dass Bestrebungen im fernen Asien, wie ZEN oder die japanische Gruppe Gutai ähnliche Wege in der Kunst verfolgten und zu den Quellen zurückkehrten.
Diesen ging es dabei ebenso wenig um die Erzählung von etwas, sondern vielmehr um die Erforschung eines Bewusstseins und um das Geheimnis der Wahrnehmung überhaupt: Wie sehen wir Farbe? Was ist für uns Monochrom? Was hat dies alles mit den Arbeiten von Jana Dettmer zu tun? Genau die gleichen Fragen, wie die berühmten Pioniere der abstrakten Kunst, stellt die Künstlerin mit ihren Arbeiten hier auch.
Sehen Sie dieses wundervolle Blau: Wenn Sie sich die Zeit nehmen, sich von der geheimnisvollen Aura dieser Fläche berühren zu lassen, werden Sie entdecken, aus wie vielen, unterschiedlichen Tönen diese Fläche besteht. Jana Dettmer trägt dabei ihr Material lasierend übereinander auf. Unterbrochen durch Trocknungsphasen entsteht so eine lebendige, haptische Oberfläche, die je nach Beleuchtung unterschiedlich wirkt.
Monochromie und Polychromie stehen, wie wir wissen, in keinem Gegensatz. Der Farbeindruck baut sich aus Interferenzen zu einem bestimmten Gesamteindruck auf, den es im Malprozess zu finden gilt. Bilder mit dieser Intensität kann man nicht planen. Sie entstehen als Ergebnis der Hingabe an das eigene Werk aus dem Malprozess heraus. Dabei bedient sie sich nicht nur der konventionellen Instrumente der Malerei, wie den Pinseln, sondern auch der durch K.O. Götz eingebrachten Rakel und der Hände.
Sie malt dabei prozesshaft und lässt sich auf die Entwicklung des Bildes ein. Dies kann man sehr gut bei ihren informell anmutenden Bildern nachvollziehen. „Um (mein) Ziel zu erreichen, gehe ich zum Nullpunkt zurück“, schreibt Jana Dettmer über sich. „Es geht bei meiner Malerei häufig um nichts als die pure Farbe, um Leinwand als Bildträger und das Bild als Illusionsraum.
Wichtig sind vor allem Faktoren wie Farbdichte, Intensität, Farbqualität. Ziel ist es, zur elementaren Substanz bestimmter Töne vorzudringen, zu ihrer spezifischen Energie.“ Dabei geht sie nicht nach einem bestimmten Plan vor, sondern lässt sich von ihren Intuitionen leiten. „Es kann sein, dass ich an einem bestimmten Punkt eine ganz andere Farbe nehme, als ich ursprünglich wollte“, sagte sie im Vorgespräch zu dieser Ausstellung.
Aus der gesamten Bandbreite ihres Schaffens sehen Sie vier unterschiedliche Werkgruppen, an denen ihr künstlerischer Entwicklungsprozess exemplarisch abgelesen werden kann. Zum einen finden Sie hier noch die polychromen, stark gestisch akzentuierten Werke, die eher charakteristisch für die Frühphase der Künstlerin sind.
Im Zentrum dieser Ausstellung stehen die Blauen Bilder, bei denen die oben angesprochene Entwicklung konsequent zu Ende geführt wurde. Außerdem finden wir eine weitere Werkreihe, nämlich Bildobjekte, die mit Epoxidharz überzogen sind, was einen stark reflektierenden Effekt erzeugt, worin sich die Physiognomie des Betrachters spiegelt.
„Durch diesen Prozess erreicht es die Künstlerin, nicht nur die im Bild existierende Materie spürbar werden zu lassen. Sie erschafft auf diese Weise Bildobjekte, die in der Spiegelung der Oberfläche die Entdeckung des Raums auf eine neue Weise ermöglichen“, heißt es in dem 2022 erschienenen Katalog.
Es kommt Jana Dettmer offensichtlich darauf an, die traditionelle, zentralperspektivische und somit illusionistische Blickrichtung auf ein Bild aufzulösen und es als autonomes Objekt im Raum erscheinen zu lassen. Die Einbeziehung des Raumes in die Kunstbetrachtung ist ein entscheidender Paradigmenwechsel in der Moderne, der über viele Positionen hinweg verfolgt werden kann.
Das Kunstwerk wird nicht mehr isoliert als durch die Rahmung abgegrenzte Entität in einem, ambivalenten Raum gesehen, sondern mit der Architektur in Wechselwirkung stehend. Am weitesten wird diese Auffassung in der Konkreten Kunst getrieben, die, wie bei Max Bill oder bei Otto Herbert Hajek unmittelbar mit der Architektur verschmilzt.
So weit treibt Jana Dettmer die Auflösung der Kunst noch nicht, denn sie hält, wie Sie sehen können, am Tafelbild fest. Bei manchen Werken in der Ausstellung erkennt man sogar noch impressionistische Reminiszenzen. Ein schönes Beispiel hierfür ist ein Werk mit dem Titel „Morning Light“. Hier gewähren die aufgebrochenen Sedimentschichten der Farbe tatsächlich den Blick in einen tiefgestaffelten Bildraum. Und es entsteht die Illusion einer morgendlichen Frühlingslandschaft gesehen mit den weitschweifenden Augen einer Romantikerin, könnte man meinen.
Text: Dr. Helmut Orpel
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