23.09.2017 – 10.02.2018
Meine sehr geehrten Damen & Herren,
Malerei in unterschiedlichen Spielarten nimmt in der heutigen Ausstellung der Galerie Böhner im Signal-Iduna-Tower am Mannheimer Hauptbahnhof einen breiten Raum ein. Gleich hier im Eingangsbereich begegnen wir den starken, informellen Arbeiten von Tonia Kos aus Österreich: Kräftige, leuchtende Farben dominieren. Der gestische Farbauftrag verstärkt die Dynamik des Duktus, der bisweilen wie eine geheimnisvolle Schrift erscheint, die sich irgendwo in der Tiefe des Raums verliert. Bei dieser Art der Acrylmischtechnik kommt es auch auf Momente an, die unkalkulierbar im Laufe des Malprozesses entstehen und die spontan in die Entwicklung des Bildes einfließen. Dieses Wechselspiel zwischen Zufall und bewusster Steuerung verleihen dem Bild Spannung, die sich auch auf die Umgebung überträgt und vom Betrachter wahrgenommen wird.
Pierre Debatty aus Belgien schlägt dagegen eine ganz andere Richtung ein als seine österreichische Kollegin, denn er lässt das Material sprechen und entwickelt die Ausdruckskraft seiner Werke aus der Wechselwirkung erdfarbener Töne heraus. Mit unterschiedlichen Materialien durchmischt erscheinen die Oberflächen haptisch. Die Lichteinwirkung lässt Schatten entstehen, die den Bildern dieses Malers eine geheimnisvolle Aura verleihen. Besonders auffällig ist hier die Tiefe, die durch die stark ausgeprägten Bilddiagonalen suggeriert wird. Diese Weite wird durch den ausschnitthaften Charakter der Komposition noch zusätzlich verstärkt. Sind es Landschaften, die hier auf eine geheimnisvolle Weise verfremdet wurden, die hier als Vorbilder dienten? Landschaften der belgischen Küste könnten hier tatsächlich Pate gestanden haben und durch Überblendungen unterschiedlicher Zeitschichten die Anmutung von inneren Landschaften erhalten haben.
Viel klarer identifizierbar sind demgegenüber die Landschaften von Geert Bordich. Auch seine Bildtitel verweisen auf die Orte, die er gemalt hat: Sylt zum Beispiel ist für ihn offenbar sehr inspirierend. Auf anderen Werken von ihm sieht man Flusslandschaften und Badeszenen. Seine Bilder sind sehr erzählerisch und entführen den Betrachter in sommerliche Gefilde, deren lichtdurchdrungenen Charakter er sehr authentisch eingefangen hat. Künstlerisch geht es ihm hier offenbar besonders um die unterschiedlichen Sphären, die an solchen Orten zusammentreffen, nämlich den Himmel, das Land und das Wasser, worin sich die Schwimmer tummeln. Lebensfrohe Sinnlichkeit ist kennzeichnend für die Arbeiten dieses Künstlers, der in seinen Bildern die Schönheit der Schöpfung vor Augen führt, „so lange sie noch intakt ist“, wie er in einem Interview anlässlich einer Ausstellung im Kunstverein Baden-Baden einmal gesagt hat.
Arbeiten der Malerin Marlene Slavik waren in der Galerie Böhner schon mehrfach ausgestellt. Sie blieben durch ihre Ausdruckkraft in guter Erinnerung. Ein besonderes Merkmal ihrer Arbeiten ist der souveräne Umgang mit dem Timbre, das sich wie eine Art Schleier über ihre Kompositionen legt. Konkret gesprochen handelt es sich hier um Landschaften, die im Dämmerlicht erfasst sind. Die Morgen- oder Abenddämmerung wurde hier abgewartet. Sehr eindrucksvoll erreicht die Künstlerin diesen Effekt, indem sie auf ungrundierter Leinwand malt und die kaum wahrnehmbaren Farbkontraste sehr subtil durchdekliniert, sodass ein vielschichtiger, aber einheitlich wirkender Grundton entsteht.
Von ganz anderer Art sind dagegen die Arbeiten, mit denen Volker Stoll die Besucher dieser Ausstellung überrascht, denn ihm ist die surreale Architektur, die Bedrängnis und Vereinzelung des Menschen, die sie vermittelt, ein Ausdrucksmittel. In vielen seiner Bilder nimmt er auf diese Weise zu brennenden Zeitthemen Stellung, zu Europa, zur Flüchtlingskrise oder zu dem Zustand, dass der Mensch in der von ihm geschaffenen künstlichen Welt immer mehr vereinsamt. Stolls Werke lassen kaum mehr Hoffnung, dass es noch eine Umkehr auf dem eingeschlagenen Weg geben kann und sind von daher auch etwas bedrückend. Sicherlich ist das auch eine Aufgabe der Kunst in unserer Zeit, nämlich eine Metaphorik zu entwickeln, die dem Ist-Zustand gerecht wird und manchmal scheint es tatsächlich so, als sei das nur dem Surrealismus möglich.
Ebenfalls surrealistische Elemente sind kennzeichnend für die Werke des Niederländers D´Neycho, die im hinteren Bereich der Ausstellung zu sehen sind. Allerdings scheint es dabei so, als verweisen uns seine Köpfe auf eine Welt jenseits der Mühsal des Hier und Jetzt, denn sie wirken über allem erhaben. Köpfe von femininen Wesen, den „Crystal angels“, die einem uns fremden Universum angehören. Mit unterschiedlichen Metallfolienschichten, die teilweise aufgeraut oder sonstwie bearbeitet wurden, hat der Künstler D´Neycho hier ästhetische Formen geschaffen, die ansprechend wirken.
Die Arbeiten von Felix Volossenkov sind in Kulturgeschichte der slawischen Welt verankert, denn in den großen Fahnen, die hier in der Ausstellung hängen, sind eindeutig die Formen der russischen Ikonen zu erkennen, die hier Pate gestanden haben. Freilich sind die intensiven Ausdrucksformen dieser Bilder in die Sprache der zeitgenössischen Kunst übertragen. Es sind Fragmente von Ikonen, Spuren, Restsubstanzen. Die Farbenpracht und die überreichen Vergoldungen, die für diese Bildwerke im allgemeinen kennzeichnend sind, sind längst verschwunden, und die noch vorhandenen Farben wurden durch die Einwirkung der Zeit verfremdet.
Natalia Tsekhomskaya erweist in ihren Werken in anderer Form ihrem Heimatland eine Hommage, denn die Landschaften, die in ihren Bildern zu erkennen sind, sind eben dort zu verorten. Die nostalgisch wirkenden Silbergelatine-Abzüge der Schwarz-Weiß-Fotografien bilden den Hintergrund, den sie mit kleinen Ölmalereien kontrastiert. So entsteht hier eine Verschmelzung von Malerei und Fotografie zur Collage, von der harten Realität des russischen Winters und von farbigen Träumen.
Auch der dritte russische Künstler hier in der Ausstellung, Alexey Yarygin steht den Surrealisten nah, wobei er allerding klassischer Maler bleibt. Mit sehr hellen, klaren Farben entführt er uns in Pyramidenlandschaften mit fliegenden Fischen und Skarabäen, Bilder, die geheimnisvolle Geschichte erzählen. Die hier ausgestellten Arbeiten des Künstlers zeugen von dem seriellen Charakter seiner Kunst.
Zwei Künstler treffen Sie in der Ausstellung, die mit dem Medium Polaroidfotografie arbeiten. Der in den 70er Jahren sehr weit verbreitete Technik des schnell entwickelten Bildes hat sich Gerold Maier angenommen und damit Werke geschaffen. Betritt man den Ausstellungsbereich, wo seine Bilder hängen, ist man erstaunt über die Wechselbeziehungen, die diese unterschiedlichen Arbeiten miteinander eingehen. Dabei sind die Industrielandschaften in erster Linie wegen ihrer bizarren Formen interessant. Was Meier an dem Polaroidfilm zu faszinieren scheint, ist vor allem die durch die Eigentümlichkeit der Materialfarben entstehende farbliche Verfremdung, die er bisweilen sehr kalkuliert in seinen Arbeiten einsetzt. Filigrane Details von Metalltreppen oder Industrieanlagen werden dabei auf einfache Grundwerte reduziert. Auch diese Reduktion entstehen spannende Grundrhythmen von Positiv- und Negativformen. Neu in Meiers Repertoire sind hier die Rundbilder.
Matthias Zerb beschäftigt sich auch intensiv mit der Polaroidfotografie. In den vergangenen Jahren hat Zerb einen präzisen Blick entwickelt für Szenen und Formen. Und so sind seine Bildausschnitte stets sorgfältig gewählt – ob Naturkulisse oder Stadtarchitektur. Andere Motive werden oft kunstvoll arrangiert – Menschen, Objekte, Situationen. Bei aller durchdachten Bildkomposition hat Matthias Zerb Instant Photography etwas Anarchistisches. Keine perfekte Bilderwelt, die wir gewohnt sind und erwarten. Dafür zart und rau zugleich – echte Schönheit eben.
Zwei Bildhauer runden das Bouquet der hier Ausstellenden ab. Zum einen die Österreicherin Heide Breuer, die mit keramischen Arbeiten vertreten ist, die als Steinzeug gekennzeichnet sind. Dies ist eine sehr traditionsreiche Technik, bei der der Ton glasiert und bei hohen Temperaturen gebrannt wird. Tonkörper und Glasur versintern dabei und wirken bei den leichten Arbeiten, wie bei der Serie „Schmetterlinge“ zum Beispiel, wie Glas. Im MItelpunkt der Ausstellung steht hier ein fast überdimensionierter Torso sowie eine Reihe von Vogel-Arbeiten.Steinzeug als Technik hat eine lange Geschichte. Schon die Babylonier nutzte dieses Verfahren, um flüssigkeitsundurchlässige Geschirre herzustellen.
Carl Moeller, der andere Bildhauer hier in der Ausstellung, war auch schon des Öfteren in der Galerie Böhner vertreten. Das Besondere an seinen Arbeiten ist der flächige Aufbau. Er umschreibt gewissermaßen den Raum, den die Plastiken mit ihrem Volumen einnehmen sollen und erzeugt so interessante Wechselwirkungen zwischen Fläche und leeren Raum. Im Gegensatz zu Heide Breuer, die mit Steinzeug arbeitet, verwendet der Niederländer ausschließlich das Material Stahl.
Text: Dr. Helmut Orpel
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