Sussi Hodel 2018

09.09. – 15.11.2018

Schwetzinger Straße 91
D-68165 Mannheim
Mobil:
+49 (0) 177 400 6 222
Öffnungszeiten:
Dienstag-Freitag: 15-19 Uhr, Samstags: 11-15 Uhr sowie nach Vereinbarung


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Meine sehr geehrten Damen & Herren,

Kunst in ihren unterschiedlichsten Formen ist und war zu allen Zeiten Gestalt gewordene Emotion. Vor allem dort, wo es, wie heute hier bei den Arbeiten von Sussi Hodel, um figurative Malerei geht, werden Emotionen regelrecht sichtbar gemacht. Diese Bilder verändern die Schwingungen im Raum. Schwingungsveränderungen, die nicht nur in den Farben ihre Ursache haben, sondern vor allem auch in den durch diese unterlegten Figuren und Figurenfragmenten, die eine erzählerische Absicht suggerieren:

Am Anfang der Malerei stand im westlichen Kulturkreis die Figur. Von Anbeginn an war die figurative oder gegenständliche Kunst in unserem Kulturkreis dominierend. Abstrakte Werke sind, was die abendländische Kunstgeschichte angeht, Kinder des 20. Jahrhunderts, denn erst in jüngster Zeit löste sich hierzulande die Kunst von der Darstellung von etwas Realem und somit vom Erzählerischen, vom Narrativen. Figur und Erzählung im Bild hängen unmittelbar miteinander zusammen. Eine Figur, eine Landschaft oder ein reales Objekt im Bild verknüpfen sich in der Fantasie des Betrachters mit der eigenen Erfahrung, die den Bildgegenstand in einen bestimmten Kontext einordnet, der entweder der Absicht des Malers entspricht, oder von diesem vollkommen frei und unabhängig ist.

Aus der Kunstgeschichte wissen wir, wie sich die Malerei seit der Renaissance zunehmend von dem durch die Religion bestimmten Kontext löste und eigene, freie Themen kreiert. War bei der Darstellung eines Heiligen die Anlehnung an die religiöse Überlieferung, die noch in weiten Kreisen der gebildeten Schichten bekannt war, verbindlich, so gibt es diese Verbindlichkeit bei der Darstellung eines Menschen ohne zuordenbare Attribute wie sie bei den Heiligen verwendet wurden nicht mehr. Hier wird der Kontext unscharf und die Betrachter werden das Gesehene auf unterschiedliche Weise deuten, weil es sie möglicherweise an unterschiedliche eigene, positive oder negative Erlebnisse erinnert. Erfahrungen, wie sie den Künstler bei der Wahl seines Themas geleitet haben, mögen beim Betrachter eine ganz andere Tonfolge zum Klingen bringen als beim Künstler selbst. Die Darstellung des Menschen wird im Laufe der Entwicklung immer mehr mit psychologischen Erkenntnissen aufgeladen.

Im 20. Jahrhundert gewinnt die Psychologie, vor allem die durch Sigmund Freud begründete Psychoanalyse für die Kunst eine gewaltige Bedeutung. Man begreift den Menschen zunehmend als ein triebgesteuertes Subjekt. Die moderne Kunst vollzieht zu Beginn des 20. Jahrhunderts angesichts dieser neuen Erkenntnisse einen fundamentalen Paradigmenwechsel, indem sie solche Zusammenhänge thematisiert.

Diese Sichtweise hat auch Sussi Hodel geprägt: Sie wurde 1971 in Dänemark geboren und übersiedelte später mit ihrer Familie in die Schweiz. Dort besuchte sie eine Schule für klassische Malerei und wurde später Meisterschülerin von André de Maertelaere. Heute lebt sie im Kanton Zug und arbeitet als freie Künstlerin. Ihre Werke sind in zahlreichen Privatsammlungen in und außerhalb der Schweiz zu finden. Wie sie bei der Auswahl ihrer Werke hier in der Ausstellung festgestellt haben, sind sie psychologischen Themen bei ihr absolut dominant. Sie ist eine intensive Beobachterin und scheut sich auch nicht davor, bei diesen Beobachtungen auch die eigene Familie ins Visier zu nehmen. So die beiden Töchter mit ihren Streitereien, die Vorlagen zu den sich gegenseitig anschreienden Steinziegen lieferten, das Gemälde hier, das auch als Motiv für die Einladungskarte verwendet wurde.

Diese Darstellung steht paradigmatisch für wohl die meisten Bilder hier in der Ausstellung, denn der rote Faden ist hier die Emotion und zwar so extrem gesteigert, dass die Darstellung an die Grenze des Möglichen geht. Man hat das Gefühl – würde die Situation ein bisschen weiter gesteigert, würden die Figuren platzen, weil sie dem inneren Druck nicht mehr Stand halten könnten.

In einigen dieser Bilder scheint es auch so, als wäre dort schon der Rubikon überschritten und die Figuren oder Physiognomien wären gerade dabei, sich in ihre Bestandteile aufzulösen, regelrecht zu zerreißen. Wir kennen solche extremen Ausdrucksformen in der neueren Kunstgeschichte vor allem von den Gemälden von Francis Bacon her, der die Darstellung der Emotion ziemlich extrem betrieben hat. Eines seiner berühmtesten Bilder, der „Schreiende Papst“, ist in der Kunsthalle Mannheim zu sehen.

Bilder, die solche Situationen zum Gegenstand haben, fordern heraus, denn sie zeigen den Menschen hinter der Maske der gesellschaftlichen Konvention. Sie zeigen die animalische Seite des Menschseins, die eigentlich kreatürliche also, deren Vorhandensein zumindest in der hier sichtbar gemachten Extremform zwar nicht geleugnet werden kann, aber in der Regel in die Rubrik des Ausnahmezustandes eingeordnet wird. Kommen solche Situationen allzu häufig vor, nehmen die Betroffenen meist professionelle Hilfe in Anspruch oder gehen daran zu Grunde.

Sussi Hodel hält die Erforschung und die Darstellung solcher Extremsituationen für eine wichtige künstlerische Aufgabe. Ihr Malstil entwickelte sich aus der Auseinandersetzung mit dem Expressionismus und der Pop-Art. Sucht man in der Kunstgeschichte Bezugspunkte, so gibt es hier eine Verwandtschaft zu dem schon genannten Francis Bacon, aber noch viel deutlicher wird die Nähe zu dem Wiener Künstler Gottfried Helnwein, dem es ebenfalls um solche Extremsituationen geht, bei dem ein Mensch die Kontenance verliert.

Wie wäre die Darstellung solcher Situationen möglich, ohne dabei auf das Porträt als die adäquate Gattung dafür zurückzugreifen? Das Porträt bietet nicht nur die Möglichkeit, sondern verlangt unbedingt, die innere Welt des Dargestellten, also die Vorgänge in seiner Seele, über die äußeren Erscheinung, also über die Physiognomie, Gestik, Körperhaltung, sichtbar zu machen. Themen wie diese sind für Sussi Hodel regelrecht Programm. So sagt sie selbst über ihren Zyklus „wild!“: „Dabei geht es um die animalische Seite in uns. Wir leben sehr angepasst und zivilisiert, aber trotzdem haben wir etwas Animalisches in uns. Diese Urgefühle dringen auf die eine oder andere Art ans Licht. Sei es im Streiten, bei der Arbeit oder wenn wir allein sind.“

Sussi Hodel beobachtet intensiv, bevor sie mit dem Malen beginnt. Durch Beobachtung kommt sie zu ihren Themen, wie oben erwähnt, die Töchter zum Beispiel, für sie probate Modelle für die Darstellung zweier streitender Steinböcke: „Streitende Schwestern und streitende Steinböcke haben viel gemeinsam“, sagt sie, „So fiel mir auf, dass meine Töchter beim Streiten genauso die Köpfe zueinander halten wie die Steinböcke, wenn sie in den Bergen aufeinander losgehen. Es ist ein Abmessen und ein Kräftemessen.“

Interessant ist es in diesem Zusammenhang zu beobachten, wie die Malerin dieses Kräftemessen mit tierischen Attributen, beispielsweise mit kräftigen Hörnern unterschiedlicher Tiergattungen noch bildlicher und somit anschaulicher macht, so als wolle sie sich bei solchen Situationen nicht nur auf die Wirkung des verzerrten Gesichtsausdrucks verlassen. Sie bedient sich hier gelegentlich zusätzlicher Mittel, um den animalischen Charakter der hier dargestellten Situation noch weiter auf die Spitze zu treiben.

Solche Attribute erscheinen in der Regel auch, wenn es um die Darstellung männlichen Dominanzstrebens geht. Hier nimmt sie die Fitnesscenter ins Visier, denn dort pumpen manche Männer ihren Körper auf, um sich mehr als Mann zu fühlen. Auch diese Exemplare tragen Hörner und wirken muskelbetont, wobei diese Muskeln in den Bildern von Sussi Hodel etwas überzeichnet scheinen, wie es ihr in vielen Darstellungen nicht so sehr um die Anatomie zu gehen scheint, sondern um einen raschen, emotional aufgeladenen Duktus, der bisweilen bewusst vergröbert. Besonders bei ihren männlichen Modellen fällt dies auf.

Viel feiner und nachsichtiger wirken ihre Bilder dann, wenn sie sich ihren eigenen Geschechtsgenossinnen zuwendet: „Frauen sind immer wieder ein Thema. Ob als Selbstreflexion oder Beobachtungen. Immer wieder kommt es vor, dass ich jemanden sehe, den ich gern malen möchte.“

Text: Dr. Helmut Orpel



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• 6. August 2018

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