05.06. – 05.11.2021
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Meine sehr geehrten Damen & Herren,
Japan und Europa, vor allem im Fin de Siècle, war dies eine überaus fruchtbringende kulturelle Verbindung, aus welcher die Art Moderne entstand. Auch in der Gegenwart gibt es immer wieder spannende Ausstellungen mit Werken aus diesen beiden doch sehr unterschiedlichen Kulturkreisen. Seit 2014 pflegt die Mannheimer Galerie Böhner den Austausch mit der Smart Ship Gallery in Tokio. Aus diesem Fundus stammen die Arbeiten von zehn japanischen Künstlern, die in der aktuellen von der Mannheimer Galerie Böhner kuratierten Ausstellung in der renommierten Viernheimer Galerie Gerdi Gutperle zu sehen sind, die weit über die Region hinaus bekannt ist. Sie kommen dort zusammen mit den Bildern und Skulpturen von Gerdi Gutperle fantastisch zur Geltung. Dabei fügt sich vor allem ein Bereich des traditionellen japanischen Kunstschaffens kongenial mit den zeitgenössischen Arbeiten von Gerdi Gutperle zusammen: In Japan galt das Porzellan als das weiße Gold, besonders wenn die Oberfläche jadeartig glänzte und sie geheimnisvoll tiefschichtig erschien. Glasierte Terrakotta war die westliche Antwort auf die hohe Kunst des japanischen Porzellans. Das Verfahren, ihren Skulpturen eine ähnliche Ausstrahlung zu geben, erlernte Gerdi Gutperle in Marbella. Farbe und Form verbinden sich dabei organisch. Auf diese Weise entwickeln sich spannende Wechselspiele zwischen ihren plastischen Arbeiten und der farbintensiven, großformatigen Malerei, die Lebenskraft und Optimismus ausstrahlt.
Diese Kraft und Ausstrahlung schöpfen Gerdi Gutperles Werke aus dem Malprozess selbst, bei dem sich die Künstlerin von geistigen Impulsen treiben lässt. Dabei entstehen teilweise symbolhafte, teilweise abstrakte Darstellungen, in denen sich Gedankengänge dynamisch vergegenständlichen, die um das Sein kreisen, das Sein, das vor dem Seienden steht und nur als Idee vorhanden ist, bevor es zur Form wird. „Nichtraumzeit“ ist die treffende Überschrift, die die Künstlerin über all diese Gemälde setzt. Zu diesen gehören Bilder wie „Leuchtende Zukunft“ aus dem Jahr 2020. Hier kommt das Licht aus dem tiefen Inneren des Bildraums. Bei Arbeiten wie „Zusammenhalt“ herrscht eine abstrahierte, eher symbolisch aufgefasste Art der Figuration vor, die auf aktuelle Themen, in diesem Falle auf die Corona-Pandemie, Bezug nimmt.
Geht der Besucher weiter, so entdeckt er einen weiteren Aspekt aus dem Schaffen der Künstlerin. Dies sind die Reisebilder aus dem Dschungel Südostasiens und von den Tempelanlagen von Angkor im heutigen Kambodscha.
Im anschließenden Raum sind es zunächst die blauen Wellen Hiroshi Yamazoes. Durch die kunstvolle Deklination der Blautöne erhalten seine Werke ein fantastisches Eigenleben. Wie die Impressionisten malt er gegen das Licht, wodurch die allzu klaren Konturen verschwimmen. Deutlich wird in der Betrachtung dieser Bilder der dynamische Augenblick, der zwischen dem Aufbau und dem Verfall der Wellen steht. Bewusst setzt er dabei auf einen nahezu monochromen nachtblauen Grundton, der die Szenen atmosphärisch auflädt.
Auch bei Yoshinori Nozakis Arbeiten denkt man zunächst an Küstenlandschaften. Allerdings ist es hier nicht Nachtblau, es schwebt vielmehr ein Hauch von Amber durch die Atmosphäre. Seine Motive suggerieren Eindrücke von Spaziergängen an den langen Sandstränden der Nordsee. Dabei fokussiert der schweifende Blick wie zufällig Muscheln oder andere Gegenstände, die die Wellen angespült haben. So verschmelzen in diesen Darstellungen Landschaftsbild und Stillleben organisch miteinander.
Hidemi Irie liebt weite Reisen mit dem Flugzeug und weite Horizonte, wie man sie in den weiten Landschaften Nordamerika auf so wundervolle Weise erleben kann. Diese Eindrücke in seinen Werken zu vermitteln gelingt ihm, indem er die Horizontlinie weit nach unten schiebt und so den Blick öffnet. In den meisten Werken, die man von ihm sieht, geht es um ein realistisches Bild von der Welt. Weder dämonisiert er die technische Zivilisation mit ihren Flughäfen und Autobahnen, noch beschönigt er die unberührte Natur. Mit nüchternem Blick fängt er die Schönheit des Zusammentreffens beider Lebenssphären in seinen Bildern ein.
Im Gegensatz zu den drei vorgenannten Künstlern wendet sich Hiroha Odaka dem Mikrokosmos zu. Bei den ausgestellten Arbeiten handelt es sich um Tuschezeichnungen auf Japan Papier. Mit diesen edlen Materialien gelingen fantastische fließende Formen, die sich wie spielerisch aus dem Duktus zu entwickeln scheinen. In der Regel tragen diese Blätter einen Grundton, aus dem sich wie schillernde Mikroorganismen einzelne Punkte herausheben.
Ebenfalls dem Thema Mikrokosmos in der naturwissenschaftlich fassbaren Welt hinter der Oberfläche stellt sich Sumiko Mizuno. Hier begegnen wir übereinander gelagerten Formenschichten, die von kettenartigen Gebilden umschwebt werden. Unter diesen könnte man sich das DNA vorstellen. Wie die Murmeln eines Kinderspiels sind die Gaben und Möglichkeiten aufgereiht, die das Schicksal für die betreffende, erst noch entstehende Kreatur darin bereit hält.
Moe Watanabe ist eine Romantikerin unter den ausstellenden Künstlern. Sie arbeitet reliefartig und hebt so einzelne Partien in ihren Bildern plastisch hervor. Mit Vorliebe verwendet sie Pastelltöne in ihren Bildern, was den Motiven eine märchenhafte Aura verleiht. Gern werden auch Goldtöne verwendet, die jenen Eindruck noch zusätzlich verstärken.
Spirituell wirken die Arbeiten von Funeto Karashima. Im Vordergrund steht dabei eine weibliche Figur, die ganz in farblich unterlegte Sphären eingetaucht zu sein scheint. Dabei geht es offenbar ganz konkret um die Verschlungenheit zwischen innerer und äußerer Welt, die hier auf meditative Weise miteinander verbunden sind.
Im Gegensatz zu den eben genannten Werkkomplexen wirken die Bilder von Kazuhiro Shimoda wie ein Aufschrei. Sie sind von der amerikanischen Pop Art inspiriert, verwenden Blockbuchstaben und sind sehr dynamisch aufgebaut. Die Farben entwickeln sich aus einem dunklen Hintergrund heraus und sind nicht zuletzt deswegen von hoher Dynamik und Leuchtkraft.
Zwei abstrakte, aber dennoch erzählerische Arbeiten runden den Kanon der Ausstellung von Werken japanischer Künstler in Viernheim ab. Da ist zum einen Yuko Tada. Collageartig überlagern sich hier unterschiedliche Malschichten, bei denen auch Blattgold verwendet wurde. Scheinbar geht es hier, worauf das Bild „Heidelberg“ hindeutet, um sedimentartige Überlagerungen von Erinnerungsschichten. Hinter mancher rasch dahingeworfenen, skizzenartigen Struktur, die zwischen diesen Schichten aufblitzt, kann man Hinweise auf die touristische Begegnung mit der titelgebenden Stadt erahnen.
Auch bei Mieko Takahashi ist die Abstraktion mit der gegenständlichen Form verbunden, besonders bei dem Bild „Water to Ice“, das in der Ausstellung hängt. Allerdings bietet die Gegenständlichkeit hier nur den Rahmen für die Entfaltung des feien Spiels der Kräfte zwischen Farbe und Form, ein Spiel, das am Ende zu einer dynamische aufgebauten Komposition führt.
Text: Dr. Helmut Orpel
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