19.06. – 03.09.2021
Meine sehr geehrten Damen & Herren,
Bilder von zauberhafter Leuchtkraft erwarten in den nächsten Wochen die Besucher der Galerie Böhner in der Schwetzinger Straße. Diese Werke stammen von der Freiburgerin Andrea Dürr, die den Gästen der Ausstellungen dort keine Unbekannte ist. Vor drei Jahren erweckte sie bereits mit ihren lichtdurchfluteten Kompositionen, stilistisch zwischen Informel und Impression positioniert, große Aufmerksamkeit. Bei den aktuellen Arbeiten scheint sich die Tendenz in Richtung Informel weiter verstärkt zu haben, denn von der in früheren Arbeiten noch kompositorisch wichtigen Horizontlinie ist heute kaum noch etwas zu bemerken. Je länger man schaut, desto weiter öffnet sich ein imaginärer Bildraum. Farben, in unterschiedlicher Dichte aufgetragen, schaffen spannungsvolle Kontraste, die Andrea Dürr mit spielerischer Sicherheit miteinander verbindet. Das dynamische Gleichgewicht zwischen Harmonie und Chaos wird dabei mit jedem begonnenen Bild neu ausgelotet.
Besonders eindrucksvoll in der aktuellen Ausstellung wirken die beiden großformatige Gemälde „Über den Wolken“ und „So ein Blau“ im vorderen Bereich der Galerie. Dürrs Titel sind immer bewusst offengehalten, denn ihr geht es nicht um irgendwelche erzählerischen Vorgaben. Die Farben sollen vielmehr für sich selbst sprechen und als ein von der erzählbaren Welt unabhängiger Kosmos synästhetisch (mehrere Sinne ansprechend) auf den Betrachter wirken. Spielerisch, so scheint es, entsteht hier der Eindruck von feinen, vom Bildträger unabhängigen Farbnebeln, die sich wechselseitig durchdringen und frei im Raum schweben. Dies entspräche voll und ganz der erklärten Absicht der Künstlerin.
„Farben berühren uns, Farben spielen die Klaviatur unserer Stimmungen, Farben locken uns an und stoßen uns ab, Farben sind sinnlich. Gerade die Natur mit ihren ständig wechselnden Farben im Laufe der Jahreszeiten gibt wichtige Impulse“, sagt sie einmal im Gespräch über ihre Malerei. Farbe bedeutet im Zusammenhang mit diesem Zitat natürlich etwas anderes als der materielle Stoff, wie er aus der Tube kommt. Hiermit ist vielmehr die geistige Energie gemeint, die von der Farbe ausgeht. Und um diese zu gewinnen, bedarf es bestimmter Techniken, die Andrea Dürr in ihrem Werk kultiviert hat. Dabei beginnt der Transformationsprozess bereits mit der Grundierung der Leinwand, was von der Künstlerin eigenhändig ausgeführt wird. Aufgrund dieser Vorarbeiten wird Farbe anders aufgenommen als bei kommerziell grundierten Leinwänden.
Von zentraler Bedeutung für die Wirkung ist aber vor allem die Farbsubstanz, die Dürr unter Verwendung von wertvollen Pigmenten und Bienenwachsbinder selbst herstellt. Wirken die Skizzen im mittleren Raum der Galerie spontan und zufällig wie Studien, die für ein größeres Gemälde angefertigt wurden, so erscheinen die großformatigen Arbeiten im vorderen Bereich trotz des scheinbar leichtfüßigen und spielerischen Pinselduktus exakt durchkomponiert. Die Lichtpunkte sind hier von vorn herein festgelegt.
Eine besondere Gattung im Werk der Künstlerin bilden die Waldbilder im hinteren Bereich der Galerie. Sie sind, wie Andrea Dürr erzählte, in den Monaten des durch Corona bedingten Lockdowns entstanden. In dieser Zeit standen lange Waldspaziergänge auf dem Programm und sie lässt die Betrachter mit ihren Waldbildern daran teilhaben. Dabei fällt auf, dass es auch hier mehr um die Atmosphäre geht als um ein realistisches Abbild eines Waldes oder gar von Bäumen. Darauf verweisen auch die hier stärker als bei den bisherigen Bildern themenbezogenen Titel wie „Wintermärchen“ oder „Frühlingszauber“. Auffällig ist zudem auch der stärkere Einsatz grafischer Elemente, um so Zwischenräume entstehen zu lassen, die der Komposition eine stärkere Geometrie verleihen als dies bei ihren bisher bekannten Bildern der Fall ist.
Text: Dr. Helmut Orpel
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