19.02. – 20.07.2022
Meine sehr geehrten Damen & Herren,
Ausstellungen zeitgenössischer Künstler aus Japan haben in der Galerie Böhner schon eine lange Tradition. Die Namen der meisten in dieser Ausstellung präsenten Künstlerinnen und Künstler in der Schwetzinger Vorstadt, klingen zumindest den Stammgästen der Vernissagen vertraut, weil deren Werke hier in regelmäßiger Folge gezeigt werden. Wie immer begegnen wir einer Mischung unterschiedlicher Kunstströmungen und Einflüssen, denn auch die japanische Kunst entsteht nicht im luftleeren Raum. Es gibt Merkmale, die durchaus auf europäische oder nordamerikanische Vorbilder zurückzuführen sind, aber natürlich sind auch Einflüsse zu erkennen, die ihren Ursprung in der reichen japanischen Kulturtradition haben. Die japanische Kunst inspirierte, wie bekannt ist, einflussreiche Kunstströmungen in der westlichen Welt. Man denke in diesem Zusammenhang zum Beispiel an den französischen Impressionismus und die Art Moderne, den Jugendstil und die Sezession.
Beispiele für traditionsgebundene Kunst sind in der heutigen Ausstellung die Arbeiten der Künstlerin Yoko Horie. Sie setzt die Kutani Glasur, die in Japan schon seit Jahrhunderten hohe Wertschätzung genießt, in Formen um, die nicht mit Gebrauchskeramik verbunden sind, sondern rein der Dekoration dienen. Diese Technik, die Yoko Horie so meisterhaft beherrscht, gab es bereits im 17. Jahrhundert. Der Name leitet sich von einer japanischen Provinz her. Charakteristisch ist die leuchtende Farbkraft, die durch eine spezielle Art der Glasur erreicht wird. Bei den hier in der Galerie ausgestellten Werken bezaubern die filigranen Strukturen besonders.
Ebenfalls traditionsgebunden erscheinen uns die Masken aus hellem Holz. Sie stammen von Kazuma Ishida. Dabei handelt es sich um Formen, die auf den ersten Blick wie bei Tanz und Theatermasken wirken. Dies nicht zuletzt wegen ihres starken mimetischen Ausdrucks. Schaut man jedoch etwas genauer hin, überrascht die Lebensnähe, die selbst bei den grotesk verzerren Zügen noch gut zu erkennen ist.
Yuko Akias Assemblagen, die hier in der Galerie in der Galerie präsentiert sind, lassen sich ebenfalls in die japanische Tradition einordnen, wenn man sie sich mit farblich abgestimmten Blumen denkt. Ikebana ist wohl eine der bekanntesten gestalterischen Techniken aus Japan: Die Kunst, mit Blüten ephemere Räume zu schaffen und so den Augenblick zu stilisieren.
Schließlich Taeko Tsunoda. Die große Kunst der Tuschezeichnung im Zen Buddhismus. Hier allerdings mit sensibel aufgetragenen Pigmenten in der Wirkung gesteigert und komplex zusammengefasst, der mit dem sorgfältig ausgewählten Papier fantastische Wirkungen erzielt.
Hiroshi Yamazoe ist wohl der Künstler, dessen Arbeiten bisher in fast allen Japanausstellungen der Galerie Böhner vertreten waren. Durch die kunstvolle Deklination der Farbtöne erhalten seine Werke ein fantastisches Eigenleben. Wie die Impressionisten malt auch er gegen das Licht, wodurch die allzu klaren Konturen verschwimmen. Bei den neuen Arbeiten steigert er die natürlichen Farben ins Unwirkliche. Deutlich wird in der Betrachtung dieser Bilder der dynamische Augenblick, der zwischen dem Entstehen und Vergehen eines Lichteindrucks liegt. Die Szenen wirken atmosphärisch aufgeladen.
Dem Mikrokosmos in der naturwissenschaftlich fassbaren Welt stellt sich Sumiko Mizuno. Hier begegnen wir übereinander gelagerten Formenschichten, die von kettenartigen Gebilden umschwebt werden. Unter diesen könnte man sich die DNA vorstellen. Wie die Murmeln eines Kinderspiels sind hier die potenziellen Gaben und Möglichkeiten aufgereiht, die das Schicksal für die betreffende, erst noch im entstehen begriffene Kreatur bereit hält.
In einem guten Sinne vergeistigt wirken die Arbeiten von von Funeto Karashima. Im Vordergrund steht dabei eine weibliche Figur, die ganz in farblich unterlegte Sphären eintaucht. Dabei geht es offenbar ganz konkret um die Verschlungenheit zwischen innerer und äußerer Welt, die hier auf meditative Weise miteinander verbunden ist. In ihren Werken wird der Betrachter, wenn er sich darauf einlässt, von einer großen Welle aus Farben und sich auflösenden Formen aufgesogen.
Auch Yoshinori Nozaki ist den Stammgästen der Galerie Böhner kein Unbekannter. Seine Motive suggerieren Eindrücke von Spaziergängen an den langen Sandstränden der Nordsee. Dabei fokussiert der schweifende Blick wie zufällig Muscheln oder andere Gegenstände, die die Wellen angespült haben. So verschmelzen in diesen Darstellungen Landschaftsbild und Stillleben zu einer organischen Einheit. Neu in dieser Ausstellung hier ist eine an eine verblasste Fotografie erinnernde Arbeit. Ein kleiner Junge, den wir hier schon beim Spaziergang am Strand begegnet sind, sitzt verträumt auf einer Düne.
Aus innerer Berührung entstehen die Landschaften von Isako Kamimura. Ihre Visionen schweben zwischen Traum und Wirklichkeit. Mieko Takahashis Arbeiten lassen sich, was bei den hier in der Galerie gezeigten Werken bisher selten ist, dem Informel zuordnen. Die Motive unterliegen hier einem Wechselspiel zwischen Duktus und Malgrund. Dabei entstehen spannende Verlaufsformen zwischen den unterschiedlichen Farbschichten.
Ähnlich sind auch die Arbeiten von Yuko Tada einzuschätzen. Bei diesen fällt besonders auf, dass die Farbsubstanz mit Sedimenten untermischt ist, sodass eine haptische Oberfläche entsteht. Kommen wir zuletzt auf Chisako Tayama zu sprechen: die hier gezeigten aktuellen Arbeiten sind draußen im großen Schaufester der Galerie zu sehen, diese beeindrucken durch einen spontanen Duktus, der bewusste Gestaltung und bildnerischen Zufall kongenial miteinander verbindet.
Text: Dr. Helmut Orpel
Vernissage Japanische Künstler bei Böhner – Kultur verbindet
(WOCHENBLATT, Mannheim, 20. Februar 2022)
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