Bechtle 2021/2022

SAMMLUNG & GALERIE BÖHNER
GEMEINSCHAFTSAUSSTELLUNG

22.10.2021 – 10.03.2022

Besselstraße 20-22
D-68219 Mannheim
Mobil:
+49 (0) 177 400 6 222
Öffnungszeiten:
Montag-Freitag: 9-17 Uhr
sowie nach Vereinbarung

 


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Meine sehr geehrten Damen & Herren,

sucht man in der aktuellen Herbst/Winterausstellung der Sammlung & Galerie Böhner hier im Bechtle Haus in der Mallau nach dem häufig herbeigewünschten Roten Faden, an dem sich Identität und Differenz der ausgestellten Werke von insgesamt 18 Kunstschaffenden aufzeigen lassen, so stößt man auf zwei Gesichtspunkte, womit sich Hauptüberschriften formulieren lassen. Das ist zum einen das Informel, das zumindest im unteren Stockwerk der weitläufigen Galerie dominiert, zum anderen sind es Spielarten der Fotografie, auf die Sie an mehreren Orten in diesem Haus stoßen.

Was bedeutet informelle Malerei? Informel ist ein Begriff, der aus dem französischen kommt. „Art informel“, zu Deutsch: formlose Kunst taucht als fester Begriff in den 1940er Jahren auf. Bei dessen kunsthistorischer Festschreibung war vor allem Michel Tapié mit seiner 1951 im Pariser Studio Facchetti kuratierten Ausstellung „Signifiants de l‘ Informel“ federführend. Interessant für diese Kunstrichtung ist außerdem der Hinweis in einigen Kunstlexika, dass die Informelle Malerei wohl in der „écriture automatique“, also dem automatischen Schreiben der Surrealisten ihre Vorläufer gehabt hatten. Ein weiteres Kriterium dieser Kunstrichtung ist die Abkehr von der streng rationalen geometrischen Abstraktion zugunsten eines freien und spontanen Schaffensprozesses. Genau diese Tendenzen können Sie sehr gut an den Arbeiten von Susanne Kirsch beobachten. Wie eine unleserliche Schrift entwickelt sich hier ein stark farbig akzentuierter Duktus aus der Leinwand heraus und scheint über der Bildoberfläche zu schweben. Bisweilen entrollt er sich wie willkürlich gezogene Linien, in anderen Fällen verdichtet es sich zu dynamisch wirkenden Strukturen, die sich im nächsten Moment wieder auflösen.

Kerstin Sokoll hingegen verwendet Linien, doch wirken diese wie mit der freien Hand gezogen und sehr kontrastreich. In einem anderen Teil ihrer hier ausgestellten Werke bringt sie die Stofflichkeit der Farbe zur Wirkung, indem sie die Farbsubstanz pastos aufträgt und so durch die Einwirkung des Lichts aus der Umgebung Wechselwirkungen erzeugt. Bei beiden Werkgruppen entstehen durch den auf diese Weise bewusst inszenierten Zufall sprechende Oberflächen mit vexierbildartiger Wirkung.

Informel ist ein Stichwort, unter dem ein Teil der Ausstellung gefasst werden kann. Jedoch sollte man mit diesem Begriff keine Dogmen entwickeln, denn längst sind die Übergänge zwischen den unterschiedlichen Stilrichtungen fließend geworden, so bei den Bildern von Jana Dettmer, die beim ersten Blick eher der Konkreten Kunst zuzugehören scheinen. Beim näheren Hinsehen wird jedoch rasch deutlich, dass auch hier das Wechselspiel mit dem äußeren Lichteinfall sehr bewusst in das Konzept einbezogen wird und außerdem die monochrome Oberfläche gar nicht so monochrom ist, wie es bei der oberflächlichen Betrachtung scheint.

Die aus dem Iran stammende und in Deutschland lebende Künstlerin Mahnaz Zarrinfar Ferrara erinnert mich in manchen ihrer Arbeiten an Emil Schumacher, dem Hauptvertreter des deutschen Informel. Wenn Sie ihre Arbeiten im oberen Stockwerk der Galerie betrachten, so fällt das Material auf, die haptische Qualität des Farbauftrags und die Brüche, die wiederum Einblicke in dahinterliegende Bildebenen zulassen. Wie bei dem Altmeister der informellen Malerei scheint hier das Bild den Moment des Zusammentreffens beider Grundkräfte, der Schöpfung und der Zerstörung zu markieren, ein sehr flüchtiger Moment, der nur in der Kunst eine Dauer hat.

Zwei weitere Künstler sind hier im unteren Bereich bei Böhner noch zu erwähnen, nämlich Zarko Radic, dessen Arbeiten zwischen diesen unterschiedlichen Spielarten des zeitgenössischen Informel angeordnet sind, orientiert sich dagegen am Konstruktivismus und verschachtelt gekonnt unterschiedliche Perspektiven ineinander, so ganz der Klassischen Moderne entsprechend. Dabei entwickelt er ein fantastisches Gespür für den Raum und dessen Bedingtheit. Möglicherweise spielen bei diesen Konstruktionen Erfahrungen hinein, die hier von einem monumentaleren Bereich der Malerei kommen, nämlich dem Bühnenbild, und hier auf das kleinere Format der Zeichnung collagehaft übertragen werden.

Nahe am klassischen Landschaftsbild bewegt sich Peter Hauenstein, dessen Arbeiten Sie im neuen, erweiterten Ausstellungsraum der Galerie sehen. Bei seiner blauen Gebirgslandschaft drängt sich die Erinnerung an Caspar David Friedrichs Nebelmeere auf, aus denen geheimnisvolle Figuren aufsteigen. Diese Figuren fehlen hier, doch ist die Atmosphäre so dicht, dass Hauensteins Malerei solcher Staffage nicht bedarf.

Klaus M. Hartmann und Lotta Leon: Von Hartmann stammen die Metallskulpturen im Eingangsbereich der Kunsthalle. Hartmann kommt aus dem handwerklich-technischen Bereich und hat als Stahlbauschlosser vielfältige Erfahrung mit dem Rohstoff gesammelt. Nach einer handwerklichen Ausbildung absolvierte er ein Studium der freien Kunst an der Akademie in Mainz. Lotta Leons Arbeiten tragen eine positive Stimmung in den Raum hinein. Sie sind sehr vielfarbig, aus unterschiedlichen, sehr dynamischen Strukturen aufgebaut, die eine synthetische Gesamtwirkung ergeben. Figuration ist hier nicht zu erkennen, diese entsteht erst beim Intensiven Schauen auf dieses nuancenreiche Konzert in der Fantasie des Betrachters. Lotta Leons Bilder brauchen die aktive Mitwirkung des Betrachters.

Mit den Arbeiten von Thomas Burghartz betreten wir den Bereich unterschiedlicher Spielarten der Fotografie, die in dieser Ausstellung ebenfalls einen breiten Raum einnimmt. Bei seinen Arbeiten spielen Reflexionen eine Rolle und Brechungen. So schafft er in seinen Landschaften unterschiedliche Bildebenen. Christina Pleyer im ersten Obergeschoss schafft ästhetisch ansprechende Bilder mit unterschiedlichen Themen, Räume, Collagen und abstrakte Kompositionen auf Alu-Dibond sind ihr Metier, das die Künstlerin wahrhaftig beherrscht, und der belgische Künstler Haryo Nindito inszeniert filmische Kulissen mit geheimnisvollen Szenen vor einem dicht aufgeladenen landschaftlichen Hintergrund. Stills für einen Film, der im Kopf des Betrachters weiterläuft, Kopfkino mit einer sehr aufwändig angelegten fotografischen Inszenierung.

Christoph Rust, der sowohl im Erdgeschoss mit einer Lichtinstallation als auch im oberen Stockwerk der Galerie mit einer Reihe von Arbeiten vertreten ist, hat an der Universität Marburg und in Münster studiert. Schon während des Studiums verband er unterschiedliche Disziplinen wie Archäologie, Philosophie und bildende Kunst. Besonders spannend unter den Werkzyklen, an denen er in den letzten Jahren gearbeitet hat: Sein „Nasca Projekt“. Nasca – ein Ort in Peru, der durch gigantische Erdzeichnungen berühmt geworden ist, die, so die Theorie, von intergalaktischen Besuchern stammen sollen. Auch bei den Werken hier stehen offensichtlich solche geheimnisvollen Begegnungen im Mittelpunkt. Lichtsäulen, die ohne diesen narrativen Hintergrund schwer zu deuten wären. Spuren, von Außerirdischen Raumschiffen vielleicht, wie sie bis heute immer wieder bezeugt werden. Lichtsäulen in den Bildern, Lichtskulpturen, wie auch hier ein Beispiel in dieser Ausstellung, lassen die Dimension des Schaffens von Rust erkennen, ein Blick, der in unbekannte Universen führt und, wie ich vermute, hinter den Vorhang konventioneller Vorstellungen dringen möchte.

Drei Österreicherinnen bereichern die Ausstellung hier bei Böhner im Bechtle Haus durch sehr unterschiedliche Akzente, die sie mit ihrer Malerei setzen: Mit anmutigen Aquarellen und Tuschen Karin Durstberger. Arbeiten, die ein genaues Hinsehen verlangen, um ihre Wirkung zu entfalten. „Tanzen, nichts als Tanzen“, lautet einer ihrer Titel, der so ganz dem entspricht, was der Betrachter sieht, nämlich sehr viel Dynamik, evoziert durch eine spielerische Pinselführung auf einem hellen Untergrund. Hanna Ecker dagegen überrascht durch eine sehr transparente und geheimnisvoll wirkende Raumsituation. Durch rätselhafte graphische Elemente, die sie appliziert, entsteht eine besondere Spannung. Glas ist ein Medium, mit dem die Künstlerin parallel zu ihrer Malerei arbeitet. Vielleicht erklären sich dadurch die überaus tiefschichtig angelegten Wechselwirkungen unterschiedlicher Lichtquellen aufeinander. Ilse Hartl schließlich bezieht sich mit ihrer flächigen, ornamentalen farbintensiven Malerei auf die Popkultur, das Graffiti und die Streetart.

Ganz im Gegensatz hierzu wendet sich Vera Ludwig-Loster In einer der hier ausgestellten Themengruppen reduzierter Kontraste zu und inszeniert ein Wechselspiel zwischen Malgrund und Malakt nur aus dem Kontrast von Schwarz und Weiß, woraus die Wirkung von Schattenrissen entsteht. Die Belgierin Lydia Gucebam überrascht durch die Kombination unterschiedlicher freier Formen. Auch in ihren Arbeiten spielt die Spontanität eine große Rolle sowie die Wahl der eingesetzten Farben von grell bis gedeckt. Ekaterina Gasmi, deren Arbeiten oben im dritten Stockwerk der Galerie zu sehen sind nahe der großzügigen Dachterrasse mit Stahlplastiken von Carl Moeller aus den Niederlanden, besticht durch ihren Hyperrealismus und durch die Präzision der Ausführung. Sie studierte an der Textil Universität in Moskau und ging nach ihrem Abschluss nach Deutschland. An der Kunstakademie Düsseldorf erweiterte sie dann ihren künstlerischen Horizont durch ein Zusatzstudium im Fach Malerei bzw. Bühnenbild. Einfachen Dingen eine besondere Ausstrahlung zu geben und so unseren Blick für die wichtigen Dinge des Lebens zu schärfen, diese Art der Malerei scheint hier Programm.

Text: Dr. Helmut Orpel

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• 17. September 2021

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