Walter Dorsch 2021

11.09. – 10.11.2021

Schwetzinger Straße 91
D-68165 Mannheim
Mobil:
+49 (0) 177 400 6 222
Öffnungszeiten:
Dienstag-Freitag: 15-19 Uhr, Samstags: 11-15 Uhr sowie nach Vereinbarung



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Meine sehr geehrten Damen & Herren,

Walter Dorschs Arbeiten sind mir von mehreren Gruppenausstellungen bekannt: Skulpturen in kleinem Format, minimalistisch ausgearbeitet. Titel gehören dazu. Titel mit Aussagekraft. Dorsch spielt damit auf gesellschaftliche Zustände an, wirft Schlaglichter auf die politische Weltlage: Putin, Trump und Xi Jinping – die mächtigsten Männer der Welt im Gipfelgespräch. Alle drei in weite Mäntel gehüllt, die sie groß und mächtig erscheinen lassen, gleichzeitig dabei aber auch hohl und aufgeblasen. Der Kopf ist eine Charaktermaske. Sie regieren die Welt. Wer gibt ihnen das Recht dazu? Bei der Antwort auf diese Frage setzt Dorsch auf die Bereitschaft seines Gegenübers, sich auf einen Dialog mit ihm und seinem Werk einzulassen: Ob zustimmend oder ablehnend, immer ist es die Reaktion des Ausstellungsbesuchers, auf die Dorsch besonderen Wert legt. Diese Dialoge mit dem Publikum sind integrale Bestandteile des Kunstprozesses. Sie tragen dazu bei, das künstlerische Werk lebendig werden zu lassen. Man kann die Figuren anfassen, sie anders zusammenstellen. Hier ist das Berühren explizit erwünscht.

Beim Gang durch die Ausstellung in der Galerie Böhner in Mannheims Schwetzinger Vorstadt sieht man vor allem Figurengruppen, die zusammenstehen oder -sitzen. Eine mit Mechanik verbundene Arbeit erinnert an eine barocke Spieluhr, die durch eine Kurbel in Bewegung gesetzt wird, wodurch sich die einzelnen Figurenpaare gegeneinander drehen. Sie trägt den Titel „Wohin treibt uns die Zeit?“ und entstand aufgrund einer gleichlautenden Preisfrage der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Zwölf klassische Figuren sind darin zitiert: Philemon und Baucis, Kassandra, Narciss, Ares u.a. Sie drehen sich voneinander weg und aufeinander zu und symbolisieren so die ewige Wiederkehr.

Die dreidimensionalen Bronzestatuetten werden durch digitale Fotografien ergänzt, bei denen Ausschnitte aus den Figurengruppen herausgegriffen wurden, die verschiedene Aspekte der Ensembles in den Fokus rücken. Interessante Wechselwirkungen werden auf diese Weise erzeugt, die neugierig machen auf den Menschen, der hinter einem solch komplexen Werk steht. Welche Grundgedanken mögen ihn wohl bei seiner bisweilen mit unverkennbarer Ironie vorgetragenen Zeitkritik leiten? An dieser Stelle macht ein Blick in seine Biographie durchaus Sinn und dabei fällt ein Berufsweg ins Auge, der wirklich ein Alleinstellungsmerkmal in der Welt der Kunst sein könnte. Nach meinem Kenntnisstand gibt es nicht viele Künstler, die aus der Medizin kommen. Bei Walter Dorsch ist dies der Fall. Er hat in München und Zürich Medizin studiert und nach der Ausbildung in Lungenheilkunde und Allergologie an der Münchner Universitätskinderpoliklinik die Allergie- und Asthmaambulanz gegründet. 1989 wurde er als Kinder- und Jugendarzt habilitiert. Eine Lehrtätigkeit an der Universität Mainz schloss sich an. Die Spezialisierung auf Kinderheilkunde steht in einem engen Zusammenhang mit der späteren künstlerischen Arbeit, denn in der Kinder- und Jugendpsychiatrie dienen solche anonymen Figuren dazu, bei seinen Patienten die Sprechhemmung zu überwinden und so Verkrampfungen zu lösen, die der Einsicht entgegenstehen. In diesem Sinne stellt er heute seine Figuren zusammen: Sie zeigen bestimmte Aspekte der gesellschaftlichen Befindlichkeit.

Als Kinderarzt kann er miterleben, wie aus kleinen Geschöpfen liebenswürdige junge Menschen und aufrechte Erwachsene werden, oder das Gegenteil davon. Dies sucht er in einem Teil der hier ausgestellten Arbeiten für den Betrachter begreifbar zu machen. Aber über dieses letztendlich berufsbedingte Forschungsthema hinaus entwickelt er mit seinen figuralen Hieroglyphen Darstellungssysteme für die unterschiedlichsten Formen der gesellschaftlichen Zustände. Analog zu dem expressionistischen Künstler Gerd Arntz, der in den 30er Jahren dafür abstrakte, zweidimensionale Figurationen entwickelt hat, verlagert Dorsch diese Zeichen in den Realraum.
Ein zentrales Thema dabei ist der Verlust der Individualität, wofür er eine adäquate Ausdrucksform gefunden hat. Dieses werden Sie beim Gang durch die Ausstellung wohl als erstes bemerken. Die Figuren von Walter Dorsch haben oft keine Gesichter, weil ihnen ihre Individualität abhandengekommen ist. Oft drücken sie durch ihre Körpersprache Angst und Unsicherheit aus.
Während eines Telefongesprächs im Rahmen der Ausstellungsvorbereitung erzählte mir Walter Dorsch von seiner Flüchtlingsarbeit, bei der er sich für Kinder aus Syrien einsetzt: „Wenn mir Flüchtlingskinder von Aleppo erzählen, den leeren Häusern, oder wenn ich eine junge Frau, die eben noch ein Mädchen war, verschleiert sehe, mit all der Angst, die sich um dieses Stück Tuch rankt, dann ist das alles andere als schön. Andrerseits freue ich mich, wenn die Mütter der Kinder, die aus verschiedensten Ländern zu uns gekommen sind, in unserer Praxis miteinander ein Schwätzchen halten, als Zeichen einer gelungenen Integration („Schwätzerinnen“). Jede Skulptur, jedes Bild erzählt eine oder mehrere Geschichten. Die Figuren sind zum Anfassen gestaltet. Der Besucher soll sie in die Hand nehmen und seine eigene Geschichte erfinden, sie begreifen. Deshalb ergänze ich die Skulpturen auch durch Bilder, die markante Szenen darstellen, und durch Filme.“

Die abstrakte Formensprache, die Walter Dorsch für solche Zusammenhänge entwickelt hat, ermöglicht es dem Betrachter, die Szenen von den konkreten Situationen zu lösen und auf andere Konflikte zu übertragen. In Dutzenden von Ausstellungen habe er erlebt, wie die Arbeiten auf diese Weise erfasst und auf diese Weise auch Anlass zur Interaktion, zur eigenen künstlerischen Aktivität werden. Kunst ist für ihn nicht nur das Werk an sich, sondern auch das Gespräch, das aus der Auseinandersetzung damit entsteht. Ganz in dem Sinne von Beuys Sozialer Plastik ist sie ein Medium, um den Diskurs über den Zustand der Gesellschaft zu initiieren.

Walter Dorsch arbeitet dabei sowohl mit Bronze als auch mit Holz und Eisen. Schwarz-Weiß, digital überarbeitete Farbfotografien, Kurzfilme mit musikalischer Begleitung, Bücher und Ausstellungen mit teils ernstem, teils humorvollem Hintergrund erweitern sein Repertoire über die unmittelbare Sparte der Plastik hinaus.

Text: Dr. Helmut Orpel


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• 4. Juli 2021

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